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#FridayForFuture vs. #SamstagFreibadZumüllen

Eine der wichtigsten Institutionen einer funktionierenden Presselandschaft sind Leserbriefe. Und manche sind einfach zu gut, um sie hinter der Paywall der Lokalpresse verloren gehen zu lassen. Ein Abdruck (mit freundlicher Erlaubnis der Autorin).

Zurest, ein Vorwort (falls nicht interessant, einfach zum grün-hinterlegten Teil scrollen). Als in den 70igern Geborener und Grünenerstwähler (nach Studium aller Parteiprogramme) — jeder im Dorf wußte, daß ich 18 geworden war, weil die Grünen plötzlich 25% mehr Stimmen hatten als in der Wahl davor: fünf statt vier; und jedem war klar, so eine spinnerte Chaotenpartei wird nur gewählt von der Familie des Gymnasiallehrers und den einzigen Alternativen im 2000-Seelen Dorf, deren Kinder nicht Mama und Papa zu den Eltern sagen, die kein Auto (und keinen Fernseher, visuelle Medien verdummen die Kinder) hatten, unverheiratet waren, und schräg gegenüber wohnten — hatte ich recht früh und recht viel Kontakt mit der nun wieder modern-gewordenen Idee der Nachhaltigkeit (wenn man mal von der FDP absieht, sehr witzige Kampagne, grüner Ökoterror war immer schon die größte Gefahr für Deutschland, nicht die Nazis oder der Neoliberalismus, ob der Herr Lindner und die anderen schnieken, geldlastigen FDP-ler, wohl zur Rettung der Freiheit ausschließlich Billigfleisch aus Massentierhaltung konsumieren?).

Mein Vater war bei weitem kein Ökorevoluzzer (als die FDP noch liberal und nicht asozial war, Ende der 60er bis 1982, wie die Grünen immer noch, hat er wohl FDP gewählt), aber als vernunftbegabter (und -anwendender) Mensch und interessierter Geographielehrer vertraut mit dem Konzept der Ressourcenvernichtung und der persönlichen Verantwortung, und gab das an die nächsten Generationen weiter. In diesen frühen Jahren des Umweltbewußtseins, als Kernenergie vielen noch als Zukunftstechnologie galt (danke liebe CDU und FDP) und Kohlestrom noch billig und gut war (danke liebe SPD und FDP), achteten meine Eltern darauf, daß wir keine Lichter brennen und Türen aufstehen lassen; jedes elektronische Gerät bei Nichtbenutzung ausgeschaltet werden kann (sonst eine Woche Fernsehverbot), und man den Trockner, das wasser- und stromfressende Monster (kein Vergleich mit heutigen Modellen, eine direkte Folge der grünen Chaotenideen, die nun Volkswissen sind), nur in Notfällen benutzt, weil draußen im Garten die Spinne und die Sonne wartet.

Gibt es noch jemand der nicht fliegt? (Quelle: flightradar24.com)

Geflogen in den Urlaub wurde nur (war eh zu teuer), wenn das Ziel auf dem Landweg (oder Übersee mit Fähre) mit dem möglichst sparsamen Auto nicht erreichbar war. Sprich, dreimal im Leben nach Amerika (mein Berufsleben zwang mich dann, alle zwei-drei Wochen in den Flieger zu steigen). A propos, über Land verbrauchte unsere spätere "Luxus"-Familienkarosse, ein Renault 21 Nevada TD, ganze 5l pro 100 km (ja man kann gerade auch einen Turbodiesel extrem sparsam fahren, wenn man ein bisschen vorrausdenkt, liebe Be-SUV-enne Mitbürger und heutige etwaige Grünenwähler — ich gebe aber zu: es ist schwer den Mitverkehr wahrzunehmen von solch hohem Roß).

Der Müll wurde getrennt und recycelt (bis der Gelbe Sack kam und die Wertstoffhöfe der Region ruinierte) und nicht einfach deponiert, verbrannt oder nach Hinterasien verschifft (dazu ein Beitrag der Deutschen Welle 2018). PS Hier in Frankreich haben wir eine gelbe Tonne für Verpackungen (wir lieben Verpackungen in Belle France, es gab mal eine zweite gelbe, aber die ist wohl mangels Nachfrage abgeschafft worden) und ein Dutzend schwarze Tonnen für den ganzen Rest bei ~15 Wohnparteien. Einwegplastiktüten? Gab es nicht, jede Tüte wurde wiederverwendet (damals nicht wegen Mikroplastik; sondern dem allgemeinen Zuviel-Müll-Problem).

Ausschalten statt Standby, wieviel Tropfen braucht es auf den heißen Stein?
Tanker (rot) und Frachter (grün) am 20.6.2019 (Quelle: MarineTraffic.com)

So sozialisiert, und natürlich korrumpiert mit dem Älterwerden in einer ausgesprochen zynischen Welt — warum Abschalten statt Standby oder persönlicher Flugverzicht, wenn im hochtechnologisierten Deutschland immer noch Braunkohle verstromt wird? Vom Treppenwitz CO2-Handel und den steigenden Verkaufszahlen der modernen Großstadtstraßenpanzer ganz zu schweigen — amüsiert mich der derzeitige #FridayForFuture-Hype ungemein. Putzig, wie all die Billigstklamotten-um-den-Globus-verschifften-tragenden, Handy-abhängigen, von-Muttern-schon-im-SUV-zum-Kindergarten-gefahren-wordenden Y- und Z-Generationler, den im letzten Jahrtausend Geborenen klar machen: so geht es nicht weiter, ihr ruiniert unsere Zukunft. (Stimmt, aber werdet ihr es besser machen, wenn das BWL und Jurastudium hinter euch liegt?)

Als die Umweltbewegung noch als subversiv galt (insbesondere die SPD wurde nicht müde die grünen Chaoten klein- und schlechtzureden, wie Jahrzehnte später die Linke), war klar:
  
Jeder fängt erstmal bei sich selbst an.

Ob das heute, ~30 Jahre später noch viel bringt, ist eine andere Frage, angesichts ~3-3.5 Mrd. Menschen in (Süd- und Ost-)Asien, die zunehmend das wollen, was wir Europäer lange hatten und die Amerikaner nicht missen wollen: verantwortungsloser Überfluß.

Genug in der Vergangenheit geschwelgt, hier nun der versprochene amüsante und doch den Kern treffenden Leserbrief (meine Ergänzungen wie immer in eckigen Klammern).

Liebe engagierte, heranwachsende Jugendliche,

zu meiner Freude berichtet der GEA [Reutlinger Generalanzeiger] immer wieder über euer Engagement, freitags auf den Unterricht zu verzichten und stattdessen für die Umwelt zu demonstrieren. Das ist wunderbar von euch und sehr löblich!

Doch was passiert bitte mit euch, wenn ihr im Freibad seid? Werdet ihr da durch wunderbare Metamorphose zu unerträglichen Umweltsündern? Was ist da los?

Geschehen Mittwoch im Pfullinger Freibad: mit meiner Tochter breite ich mein Handtuch unter den unschätzbaren schattenspendenden Bäumen am oberen Hang aus, wo zahlreiche, ausgelassene Jugendliche mit Musik, Bier und Pommes ihren wohlverdienten Nachmittag geniessen.
[Bier nur ab 16 natürlich! Ab 14 mit Erlaubnis der Erziehungsberechtigten.]
Als wir spät vom ausgiebigen Schwimmen kommen, ist anstatt der jungen Leute nur noch Müll überall.
[Lt. einer Schätzung von Forschern der Universität Newcastle im Auftrag des WWF, verdrücken wir eine Kreditkarte pro Woche; zur Übersicht in Deutschland eine zusammenfassende Studie des Fraunhofer-Instituts.]
Über die komplette Länge des Freibades! Mehrere leere Bierflaschen [War da nicht mal Pfand drauf, der Umwelt zuliebe?] liegen im grünen Gras hier, unzählige ketchupverschmierte Pommesschalen im Gras dort, da drüben eine Getränkedose und weitere mitgebrachte EINMAL-Getränkeverpackungen, weiter vorne unzählige Servietten und Plastiktütchen sowie vegane Hinterlassenschaften [Tiere essen ist schlecht für's Klima, Einwegbesteck wohl nicht] wie Bananenschalen, Apfelreste usw. erfreuen allenfalls die Wespen, anstatt die überall von den Freibadmitarbeitern bereitgestellten Mülleimer. Man kann genau sehen, wo ein paar junge Menschen gelegen haben und ihren Müll wohl einfach über die Schulter warfen? Man sieht diesen Heranwachsenden meist auch an, daß sie vorbildlich 3 x pro Woche sportlich trainieren [darunter wohl der ein oder andere, der mit dem SUV von Mama zum Sport gefahren wird und zur #FridayForFuture-Demonstration], aber 10 Meter zum Mülleimer sind unüberwindbar? Ist das so cool?

Was denkt ihr euch denn? Wir gehen Freitags auf die Straße, dass Andere sich ändern, aber ich selber führe mich weiterhin auf, als ob mich Müll nichts angeht? Und dann wollt ihr auch noch ernst genommen werden?

Ihr Lieben, so wird das nichts! Wenn genau jetzt und heute jeder Mensch bei sich selbst beginnen würde, wäre heute noch ein ansehnlicher Teil der Umweltprobleme verschwunden. Dazu kann ich jeden von uns nur einladen!

Cornelia xxx, xxx

Zum Thema Mikroplastik/Plastikmüll noch ein Erklärvideo von Kurzgesagt. Auch für Kinder und Jugendliche geeignet.

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