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Lösen die Grünen die SPD als Volkspartei ab?

... fragte die SZ dieser Tage und ludt zur Online-Diskussion ein (powered by Disqus). Mein Kommentar (hier mein Disqus-Profil) wurde dummerweise als "Spam" gekennzeichnet und nicht publiziert (bisher), vermutlich wegen den Links zum Political Compass (non-profit) und unserem Genealogical World of Phylogenetic Networks blog (wir verdienen auch kein Geld damit; es lebe die algorithmen-gestützte Zensur). Deswegen hier der Volltext (leicht verändert).

Als in den 70-igern Geborener und real-existierender Europäer (Deutsch mit schwedischer Staatsbürgerschaft in Frankreich lebend) teilt man natürlich nicht die Nostalgie für die SPD oder dem Konzept "Volkspartei". Tatsache ist, daß sich die SPD als Partei selbst schrittweise überflüssig gemacht hat; beginnend in der lähmend-uninspirierten Opposition gegen den "Dicken", dann der dezidiert neoliberalen Kanzlerschaft Basta-Gerhards – eine Mode der Zeit, schließlich die Entdiabolisierung der Grünen bei den eher bürgerlichen Wählern (wozu der klassische SPD-Wähler, der gutverdienende, Tarifvertrag-geschützte Arbeiter, auch zählt, auch dank der traditionell starken Gewerkschaften; vom Umbruch der Arbeitswelt ganz zu schweigen) und der Linken im Generellen.

Dazu ein paar Grafiken zur BTW/LTW in den letzten zwei Jahren: Die absolute Einordnung durch den Political Compass und zwei Netzwerke, welche die Ähnlichkeit in den Wahl-O-Mat Fragenkatalogen wiedergibt (relative Einordnung).

Einordnung der im Bundestag vertretener Parteien durch den Political Compass zur Wahl 2017
 
Den unvermeidlichen Niedergang, ein natürlicher Prozeß der politischen Hygiene (ihr französisches Pendant ist ja schon da, wo die SPD hinstrebt) sieht man deutlich an ihrem Wählerprofil und vielen Kommentaren hier: die SPD wird vorwiegend noch aus Nostalgie gewählt (liebe SPD-Restwähler: macht einfach mal den Selbsttest des Political Compass). Grüne, Linke und, ironischerweise, auch die (kleiner werdende) Merkel-Fraktion in der CDU besetzen überzeugender Aspekte, für die die SPD mal breitgefächert stand: progressive Politik, eine liberale Gesellschaft, soziale Gerechtigkeit, alte Konzept der "sozialen Marktwirtschaft" (starke Industrie + ordentlich-bezahlte Arbeiter, notfalls auf Kosten der Ökologie). [Einiges verliert die SPD auch an die AfD, die sich parolenmäßig für den "kleinen Mann" einsetzt, die SPD war ja mal die Partei desselben; auch wenn ihr Parteiprogramm, im Gegensatz zu anderen Rechtspopulisten dezidiert neoliberal ist; daher ihre Position im folgenden Graph zwischen den offen ultra-rechten und der FDP/CDU.]


Ein Ähnlichkeits-basiertes Netzwerk der Parteien, die 2017 angetreten waren und den Wahl-O-Mat Fragenkatalog beantwortet haben. Man beachte die relative Nähe der beiden sogenannten "Volksparteien" (mehr dazu hier, hier und hier)


Als Deutsch-Schwede in Frankreich, muß ich leider mit dem leben was die Franzosen mir als Präsident und (unrepräsentativem) Parlament vor die Nase setzen [entsprechende Posts finden sich unter der Kategorie France hier auf Res.I.P]. Deutschland hingegen, ist eine föderale(!), parlamentarisch-semi-repräsentative (5%-Hürde) und immer diversere Republik in einem Europa, das nicht anders kann als zusammenzuwachsen [auch wenn es viele Holpersteine gibt, siehe dazu meine "European-Not-Really-A-Union" Serie]. Die Anarchie bricht nicht aus, nur weil es keine Bundesregierung gibt oder die gebetsmühlen-artig beschworenen "stabilen Mehrheiten".

Ähnlichkeits-Netzwerke basierend auf den Wahl-O-Maten/Wahlkompassen zu diversen Landtagwahlen nach der Bundestagswahl 2017 (unten links). Oben links, Bayern 2018; oben rechts, Hessen 2018; unten rechts, Niedersachsen 2017.


Pluralistische Gesellschaften wie die stark modernisierte deutsche Gesellschaft (im vgl. zu der meiner Kindheit) sollten pluralistische Parlamente haben; Parteien sollten ihr Profil schärfen können (und auch Partikulärinteressen bedienen) und gezwungen sein, flexible Mehrheiten zu finden für ihre Projekte, anstelle sie alle vier Jahre in einen Koalitionsvertrag zu schreiben.

Es ist schlicht ein Witz für eine semi-repräsentative Demokratie, wenn das Parlament Gesetze verabschiedet oder diskutiert (Stichwort: Herdprämie, Ausländermaut, Obergrenze) nur weil eine bayerische Regionalpartei es will (oder die letzte "Volkspartei" Angst vor ihrem sich in der AfD manifestierendem alten Geist hat [siehe auch: Changing sides – voter migration mapped in 2- and 3-dimensional space und Made in Germany oder Wurm drin?] und meint, sie müßte wieder an die rechte Wand fahren), obwohl es im Parlament eine breite Mehrheit dagegen gibt.

Also: Mut zur Nicht-Volkspartei und einem Regenbogenparlament!

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