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Ein paar Infografiken für die Wahl in Niedersachsen

Im Gegensatz zu ihrem Bundespendant, bietet die Niedersächsiche Landeszentrale für politische Bildung (NLpB) keinen Wahl-O-Mat an, sondern einen echten Wahlkompass. Eine wunderbare Gelegenheit für ein weiteres politisches Netzwerk.
Der von der NLpB in Auftrag gegebene Wahlkompass basiert auf 30 Fragen. Hier schon der erste Hauptunterschied zum Bundes-Wahl-O-Mat: anstelle nur mit "stimme zu", "stimme nicht zu", "neutral/weiß nicht" kann man mit "stimme vollkommen zu", "stimme zu", "neutral", "stimme nicht zu", "stimme überhaupt nicht zu", und "Keine Meinung" abstimmen, was natürlich eine höhere (und notwendige) Tiefenschärfe zur Folge hat. Fragen, die mit "Keine Meinung" beantwortet wurden fließen in die Bewertung nicht ein, im Gegensatz zum Wahl-O-Mat, wo keine Meinung dieselbe Wertung (1 Punkt = 50% Übereinstimmung) hat wie neutral, was zu Verzerrungen führen kann und den Parteien einen leichten Ausweg aus für sie heiklen Fragen bietet (NB Ich habe natürlich die Wahl-O-Mat Macher diesbezüglich kontaktiert, als Antwort kam "Danke für ihr Interesse ... hoffentlich können wir Sie auch für unsere anderen Angebote interessieren"–Wohl eher nicht).

Warum der Wahlkompass die bessere Lösung ist

Dem Grundprinzip des Political Compass folgend, wird die Übereinstimmung mit den Parteien auch nicht als Prozentwert angegeben, sondern über eine 2-dimensionale Einordnung: wie beim Political Compass gibt es eine ökonomische Achse (links–rechts) und eine soziale Achse (progressiv–konservativ statt liberal–autoritär beim Political Compass). Ein wichtiger Unterschied zum Political Compass besteht darin, daß der Political Compass versucht absolute Maßstäbe anzulegen, während im Niedersachsen-Wahlkompass die Einteilung relativ ist.

Durch die 2-dimensionale Einordnung liefert der niedersächsiche Wahlkompass eine direkte Möglichkeit, die Stellung der Parteien zueinander und zu einem selbst darzustellen, wozu der Wahl-O-Mat nicht in der Lage ist (siehe auch dazu meinen früheren post).
 
Die Ausgangssituation bei den vorgezogenen Landtagswahlen in Niedersachen. Gezeigt ist da Ergebniss, wenn man alle Fragen mit "neutral" beantwortet (roter Ballon). Hinweis: Die Einstufung ist relativ zueinander; extrem-linke Forderungen, z.B. im Sinne (ur-)kommunistischer Ideen, fehlen in den Fragen; genauso wie ultra-nationalistische Forderungen.

Man sieht wie weit die FDP rechts steht im Vergleich zu Grünen und SPD, was schwierig sein sollte für eine Ampelkoalition. Ferner läßt sich die politische Nähe von CDU und AfD nicht leugnen, auch wenn die CDU jegliche Regierungsbeteiligung der AfD ausschließt. Wie auch bundesweit, ist die Linke die links-progressivste Partei und etwa soweit entfernt von der SPD wie die CDU (vgl. dazu auch die Einstufung durch den Political Compass zur BTW'17). SPD, Linke und Grüne ("rot-rot-grün") sind sich jedoch deutlich näher als CDU, FDP und Grüne ("Jamaika"-Koalition; etwas ironisch, bedenkt man den Grund für die vorzeitigen Neuwahl). Auch dies eine Parallele zum Bund, wo Jamaika unvermeidlich ist, da es leider in Deutschland keine Minderheitsregierungen geben darf (Why not?).

Eine sehr nette Funktion im Niedersachen-Wahlkompass ist, dass man bestimmte Themen ein- und ausblenden kann und beobachten inwieweit sich die eigene Position und die der Parteien ändert. Die Fragen sind in sechs Themenkomplexe aufgeteilt, die unterschiedlich zur Einordnung entlang der wirtschaftlichen und sozialen Achse beitragen: Wirtschaft natürlich entlang links–rechts, Umwelt und Bildung entlang beider Achsen, und Gesellschaft, Sicherheit und Zuwanderung werten ausschließlich für die soziale Achse (progressiv–konservativ). So kann man sehen, daß die AfD lediglich beim Thema Zuwanderung extremer ist als die CDU, und beide Parteien in allen Themen außer Wirtschaft doch sehr nah beeinander und weit weg liegen von allen anderen Parteien, während es bei der FDP die Themen Wirtschaft, Umwelt und Bildung sind.

Die Aufgliederung nach Themenkomplexen. Überlappungen bei den Symbolen sind entzerrt: "=" bedeutet, die Parteien haben auf alle Fragen des Themas gleich geantwortet; "~" steht für teils unterschiedliche Antworten, die zur gleichen Einordnung führten

... also doch noch ein Netzwerk

Beim Abgleich von Position per Thema fiel mir auf daß z.T. doch recht unterschiedliche Antworten auf die Fragen eines Themenkomplexes dieselbe Einstufung ergibt entlang der beiden Achsen. Also habe ich die Antworten wieder in Form einer Matrix kodiert und wie schon für den Bundes-Wahl-O-Mat das Distanznetzwerk errechnet. Anstelle einer binären Matrix, habe ich die Antworten diesmal mit "0", "überhaupt keine Zustimmung" bis "4", "vollkommene Zustimmung" als geordnete Merkmale kodiert. Eine paarweise Distanz von 1 bedeutet, daß die beiden Parteien im Schnitt in jeder Frage eine Kategorie auseinanderliegen.

Sogenanntes neighbour-net, ein planarer (2-dimensionaler) Graph basierend auf politischen Distanzen; letztere bestimmt auf Grundlage der Antworten der Parteien auf die 30 Fragen des Wahlkompass. Die Einteilung in rechts-links, progressiv-konservativ folgt der des Wahlkompass.

Die generelle Lage der Parteien zueinander ist dieselbe wie entlang der beiden Achsen. So sind in beiden Graphen die Freien Wähler eine gute Alternative für Wähler denen die SPD zu schwammig und die CDU zu konservativ ist, aber die sich auch nicht der sozialen Kälte der FDP aussetzen wollen. Allerdings wird deutlicher daß es zwischen allen Parteien Unterschiede gibt, die der Wähler berücksichtigen könnte. Die Piraten sind eine Alternative für Wähler, denen die SPD nicht progressiv genug und die Grünen und Linke zu progressiv (respektive links) sind. Die Partei Mensch, Umwelt, Tierschutz (Tierschutz) ist eine Alternative für diejenigen denen die Grünen zu progressiv sind, während V³, die Vegetarier-und-Veganer Partei, eine generelle Alternative zu Linken und Grünen sind. Die Satire-Partei Die PARTEI ist per se eine Alternative zu anderen Parteien. Naja, könnten sein. Denn auch in Niedersachsen gilt die 5%-Hürde, was bedeutet daß leider jede Stimme für die kleinen Parteien weggeschmissen ist. Im rechten, (ultra-)konservativen Milieu hat man – wie immer – kaum Alternativen. Ärzte müssen FDP wählen (freie Wahl der Praxisniederlassung in der Nähe von vielen Privatpatienten + freie Jagd auf Wölfe am Wochenende) und Möchtegern-National-Sozialisten natürlich die AfD (law-and-order und keine Ganztagesbetreuung, damit die Kinder mehr Zeit bei der Mutter verbringen können.)

Die Qual der Wahl

Hier also die realistischen Optionen (basierend auf der Umfrage im Auftrag des NDR vom 28.9.)

Die möglichen Koalitionen für Niedersachen nach der Wahl. Die Prozentwerte basieren auf der Umfrage im Auftrag des NDRs vom 28.9. Die Kohärenz der Großen Koalition (GroKo) und der technisch möglichen Dreierkoalitionen ergibt sich aus den minimalen und maximalen paarweisen politischen Distanzen (PDmin, PDmax). Siehe hierzu auch das Add-On zur Landtagswahl in Niedersachsen.


Die GroKo geht natürlich immer (noch), und auch in Niedersachsen sind CDU und SPD nicht soweit auseinander wie sie es gerne wären. Ansonsten müssen sich je drei Parteien zusammenraufen (da Minderheitsregierungen ja ein No-Go sind). Leider bestimmen in Niedersachsen persönliche Gefühle und diverse Ängste (insbesondere der Selbsterhaltungstrieb der ehemaligen Volksparteien) die Koalitionsmöglichkeiten, so daß die beiden natürlichen 3er-Koalitionen mit der besten inhaltlichen Übereinstimmung, nämlich mitte-links (Rot-Rot-Grün) und rechts-konservativ (ich nenne das mal "Ultra-Blau") schon wieder im Vorfeld quasi ausgeschlossen wurden (soviel zur Demokratiemüdigkeit). Hinweis dazu: Beteiligt man Brüll-Dagegen-Parteien wie die AfD an Regierungen, so ist das ein effizienter Weg sie auszubremsen. Außerdem überlegt sich der AfD Wähler dann beim nächsten Mal, ob es keinen besseren Weg gibt zum Systemprotest, z.B. die anderen Alternativen nutzen.
Wie auch bei der Bundestagswahl, haben die Parteien durch ihre Positionierung vor der Wahl sowohl Ampel- als auch Jamaika-Koalitionen prinzipiell unmöglich gemacht. Der Mindestunterschied für beide Optionen entspricht in etwa dem Maximalunterschied für Rot-Rot-Grün und Ultra-Blau, während der Maximalunterschied bei eine PD von 2 liegt. Dies bedeutet im besten Fall dass (im Mittel) je zwei der drei Partner in allen Fragen bestenfalls neutral stehen zu einer Frage, die der jeweilig andere Partner mit "stimme vollkommen zu" oder "überhaupt nicht" beantwortet hat. Oder aber in allen Fragen über Kreuz liegen. Darauf ein Bier mit Schnaps!

PS Für diejenigen, die sich eine Übersicht haben wollen bei welchen Fragen die Parteien über Kreuz liegen, habe ich wie schon beim Wahl-O-Mat Add-On für die Bundestagswahl, die Standpunkte auf das Netz geplottet

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